Bonns Posterboys

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„B.o.n.n. – Bundesstadt ohne nennenswertes Nachtleben.“

„Das schönste am Bonner Wochenende ist Köln.“

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Solche Vorurteile ist man gewohnt hier in Bonn. Wir, die wir hier leben, kennen sie alle. Bonn, die Provinz. Bonn, das Bundesdorf, in dem nix los ist. Das war zu Hauptstadtzeiten schon so und es hat sich erst recht seit dem Wegzug der Regierung nicht geändert. Die beiden Zitate von oben habe ich besonders oft während meines Studiums gehört. Damals, als man noch feiern ging. Alle, die in Köln wohnten, ließen sich nie dazu erbarmen mal zum Feiern oder „einen trinken gehen“ nach Bonn zu kommen, erwarteten aber im Gegenzug, dass – wenn gefeiert oder getrunken wurde – dies stets in Köln zu geschehen hatte.

Entweder nimmt mit zunehmendem Alter bei mir die regionale Identifikation zu oder Bonn ist in den letzten Jahren wirklich bunter und kulturell vielfältiger geworden. Jedenfalls empfinde ich Bonn persönlich schon länger nicht mehr als so provinziell, wie es mir zu Studienzeiten tatsächlich einmal vorkam. In Bonn gibt es mittlerweile viele junge und kreative Köpfe, die das kulturelle Angebot erweitern und vervielfältigen.

Trotzdem gibt es gewisse avantgardistische Bereiche, die man nicht automatisch mit Bonn verbindet und (auch als Journalist) erst einmal in Köln vermutet, wenn man in der Umgebung danach sucht. Die Streetart ist da so ein Beispiel.

Dabei gibt es in Bonn zwei phantastische Vertreter dieser Kunst: dropix und 1zwo3. Ich weiß gar nicht wann und wie ich über die beiden gestolpert bin. Vielleicht hab ich einen der beiden bei facebook gesehen, vielleicht hab ich ihre kreativen Ergüsse auch da erblickt, wo sie wahrgenommen werden wollen: Auf der Straße.

Typischer 1zwo3:
R2D2 als Wäschetrommel (© 1zwo3)

Ich weiß nur, dass ich die Kunstform, die beide gewählt haben, von Anfang an cool fand: Paste-Ups – das sind sozusagen geklebte Graffiti. Ein Motiv wird erdacht, zu Hause auf eine Art Plakat gemalt und dann irgendwo im Straßenbild mit Kleister an die Wand gebracht. Gegner der Streetart, die auch Graffiti per se als Sachbeschädigung ansehen, könnte man Paste-Ups also vielleicht als „Vandalismus light“ verkaufen. Denn das Gute aus Sicht von Spießern und Kunstbanausen ist: Paste-Ups sind vergänglich und überstehen meist nicht mal einen mittelprächtigen Regenschauer.

Im Sommer habe ich die beiden Paste-Up-Jungs persönlich kennen gelernt. Damals habe ich einen Beitrag zu Paste-Ups für Radio Bonn/Rhein-Sieg gemacht (der Webartikel hierzu ist leider der Neugestaltung der Sender-Website zum Opfer gefallen und hat nur in Screenshot-Form überlebt). Zwar legen dropix und 1zwo3 Wert auf Anonymität, trotzdem kann ich verraten: Beide sind  „so um die 30“ und betreiben ihre Street Art sozusagen aus Gründen der Entspannung. Denn beide kommen beruflich aus „Richtung Grafikdesign“ und leben nach Feierabend an Bonns Häuserwänden ihre Kreativität aus, die bei der Alltagsarbeit oft auf der Strecke bleibt (ähnliches tue ich ja mit meinem Blog hier auch, insofern waren mir die beiden gleich sympathisch).

Die Chance, dass man in Bonn an irgendeiner Häuserwand, einem Stromkasten oder einem Brückenpfeiler schon mal ein Paste-Up der beiden gesehen hat, dürften recht hoch sein. Beide verbindet nicht nur die Kunstform Paste-Up, sondern auch Gemeinsamkeiten bei der Motivwahl: Oft stehen nämlich Comic- oder Tierfiguren im Vordergrund und erzählen cartoonartig eine absurde Geschichte. Bei aller Ähnlichkeit gibt es aber einen gravierenden Unterschied: 1zwo3 zeichnet per Hand (Edding), dropix mit digitalen Tools und setzt dabei auch häufiger Farbe ein. Als „Demarkationslinie“ dient den beiden die Oxfordstraße: dropix Motive sind eher in der Altstadt Bonns zu finden, 1zwo3 klebt eher in der Innenstadt oder am Rhein. All das haben mir beide damals gemütlich auf einer kleinen Spielplatzbank (s. Titelbild oben) erzählt.

Typischer dropix:
Mickey mit „Segelohren“ (© dropix)

Mit dabei beim Radiointerview war auch meine Freundin, die sich schon damals sehr intensiv mit ihrem Foto-Projekt Gesichter Bonns auseinander gesetzt hatte. Auf der Suche nach Bonnern, die für die Stadt stehen, schienen die beiden Streetart-Jungs ja tatsächlich bestens geeignet und mittlerweile ist zumindest 1zwo3 schon ein Gesicht Bonns geworden.

1zwo3 hatte außerdem zu dieser Zeit eine Ausstellung in der Fabrik 45, in der er seine Paste-Ups mal nicht im Straßenbild, sondern klassisch im Bilderrahmen zeigen wollte. Natürlich haben meine Freundin und ich uns diese Ausstellung dann angeschaut. In ein Paste-Up, bei dem Mäuse vor einem Fernseher sitzen und Mickey Mouse schauen, habe ich mich damals ein wenig verliebt und mittlerweile hängt dieses Werk neben anderen „echten 1zwo3s“ bei uns in der Wohnung.

Aber auch dropix hat sozusagen Spuren in meinem Leben hinterlassen: Das Logo für diese Website links oben über der Navigation entspringt seiner digitalen Feder und spätestens das hat mich schließlich dazu veranlasst, über Bonns Posterboys zu bloggen. Denn Bonn ist – zumindest was die Streetart-Spielart Paste-Ups angeht – dank dropix und 1zwo3 keine Provinz mehr.

Also, liebe Bonner, aber auch liebe Erdenbürger: Nehmt euch ein Beispiel und tut was! Für euch, eure eigene Kreativität oder gleich für die ganze Kulturlandschaft um euch herum. Den Schlusssatz, den ich extra noch mal aus meinem Audioarchiv gepuhlt habe, überlass ich deshalb dropix: „Ich fänd’s schön, wenn noch mehr Leute den Mut haben würden, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen und das auch mal der Öffentlichkeit zu zeigen!“

Amen.


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