Großstadt-Phantasien

41 Jahre lang war Bonn die Hauptstadt Westdeutschlands. Neun weitere Jahre war die Provinzstadt am Rhein Regierungssitz des wiedervereinigten Deutschlands. Warum das so war erscheint auch heute noch rätselhaft. Manche behaupten, dass Bonn nur deshalb Hauptstadt wurde, weil Konrad Adenauer seinen Weg zur Arbeit möglichst kurz halten wollte. Trotzdem haben sich die Bonner natürlich schnell an den verheißungsvollen Klang des Wortes „Hauptstadt“ gewöhnt und fühlen sich noch immer irgendwie geschmeichelt. Auch wenn Bonn ähnlich großstädtisch ist wie -sagen wir mal – Bielefeld.

Vom Bonner Stadthaus sieht man wenigstens das Bonner Stadthaus nicht.

Diesem „Hauptstadtgefühl“ konnte auch der Umzug der Regierung nach Berlin nichts anhaben. Aus der Hauptstadt, wurde flugs die „Bundesstadt“ gemacht. Immerhin durfte Bonn ja sechs Bundesministerien (sozusagen als Geiseln) behalten. Seither verteidigt Bonn diesen Restglanz einer untergegangenen Epoche mit Händen, Füßen und Rechtsgutachten.

In Bonn herrscht letztlich seit dem Entzug der Hauptstadtwürde auf der einen Seite das seltsam-nostalgische Schwelgen in der eigenen großen Vergangenheit, als man noch die Schaltzentrale der letzten Bastion gegen den Sozialismus war. Und auf der anderen Seite der eitle Wunsch, den alten Glanz wieder zu beleben, um mit stolz geschwellter Brust Richtung Spree ausrufen zu können: „Schaut her: Wir sind wieder wer!“

Zwei Bonner Bauprojekte sind Symbole dieses Größenwahns. Beiden gemein ist, dass sie von ihrer Vollendung weit entfernt und alles andere als unumstritten sind. Das eine ist das Beethoven Festspielhaus, von meinem Radio-Kollegen Frank Wallitzek gerne als „Luftschloss“ bezeichnet. Das andere ist das World Conference Center Bonn, auf dessen Baustelle ich mich diese Woche selber vom Baufortschritt überzeugen konnte.

Während es in der Diskussion um das Festspielhaus um die Zukunft Bonn zu gehen scheint, verhält es sich mit dem WCCB etwas anders: Hier geht es eher um bereits Vergangenes: Um die Rettung der Glaubwürdigkeit und des Ansehens der Stadt.

Beeindruckend groß: Das Foyer des WCCB-Kongressteils.

Wer mit dem „WCCB-Skandal“ grad nicht so gut vertraut ist, hier die Kurzfassung: Die Stadt wollte ein großes, internationales Kongresszentrum, denn die alten Plenarsäle standen nach dem Regierungsumzug nach Berlin ja leer. Beim Bau einer riesigen Kongresshalle und eines Hotels ließ man sich blöderweise auf einen Investor ohne Kohle ein, in dessen Firmenname zwar das Wort „Hyundai“ vorkam, dessen Firma aber bedauerlicher Weise nichts mit dem durchaus solventen Großkonzern Hyundai zu tun hatte. Nachdem das Kapital aufgebraucht war, standen die Baumaschinen auf der WCCB-Baustelle in den letzten drei Jahren still – trotzdem musste die Stadt bis heute rund 60 Millionen Euro zur Erhaltung (z.B. Heizung und Bewachung) der Großbaustelle investieren. Jetzt ist wieder Kohle, größtenteils von Bund und Land, da – damit soll zumindest die WCCB-Kongresshalle bis Mitte 2014 fertig gebaut werden.

Wie schon erwähnt hatte ich Gelegenheit mir die „Baustelle WCCB“ selbst anzuschauen. Der so genannte Skandal um das WCCB war für mich vorher eher abstrakt gewesen, auch wenn ich selber schon darüber berichtet hatte. Jetzt stand ich also mittendrin im WCCB und war beeindruckt von der Weiträumigkeit der unvollendeten Architektur. Zwar fragte eine leise Stimme der Vernunft in mir, wer zur Hölle denn (in Bonn!) einmal eine Kongresshalle nutzen soll, in der bis zu 3.500 Teilnehmer passen (in dem ganzen Gebäudekomplex sollen sogar einmal 5.000 Menschen gleichzeitig tagen können), der Eindruck des Glasdachs und die schiere Imposanz des Gebäudes überlagerten aber jede Vernunft in mir (und scheinbar auch jede Artikulationsfähigkeit des Oberbürgermeisters, der mir vor Ort diese schönen Sätze ins Mikro gab).

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Mit ein bisschen Abstand zum Erlebten geht mir auf: Bonn steht wirklich am Scheideweg zwischen Provinz und Metropole. Aber wenn man ehrlich ist, stand Bonn schon immer da – auch als Hauptstadt. Ich bin mir selber nicht sicher welche Richtung mir lieber wäre. Vielleicht macht das aber auch den Reiz aus: Nicht klein und nicht groß zu sein – sondern irgendwo dazwischen.


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