Schlagwort: Journalismus

  • Das Märchen von Tinderella: Vergeben auf Tinder. Ein Selbstversuch.*

    Mädchen aus einfachen Verhältnissen heiratet trotz aller Widerstände schmucken Prinzen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute – bis dass der Tod sie scheidet.

    Für die meisten von uns sind solche Beziehungsmodelle Märchen. Die Realität meiner Mitmenschen um die 30 sieht völlig anders aus: Wenn’s normal läuft, stolpern wir von Date zu Date, küssen dabei viele glibbrige Frösche oder suchen für unser Minischühchen den passenden Käsefuß und erleben doch kein Happy End. Es sei denn, wir haben unseren Traumprinzen oder die Prinzessin schon gefunden und führen das, was scheinbar immer mehr aus der Mode kommt: Eine langjährige Beziehung.

    Mir geht es so: Bald seit 5 Jahren (in Worten fünf) in einer Beziehung, habe ich keine Ahnung mehr vom Singledasein. Für’s Dating-Karussell brauche ich keine Zehnerkarte mehr, muss mir keine Gedanken mehr darüber machen, wie ich dem anderen Geschlecht im Supermarkt begegne, kann mich vielleicht sogar ein kleines bisschen gehen lassen, weil ich ja weiß, dass mich jemand so lieb hat wie ich bin und verspüre nicht den Druck, irgendwo auf dieser Welt „diesen einen Menschen“ noch finden zu müssen.

    Trend zwecks mangelnder Bedürftigkeit verpennt

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    Szene einer 5 Jahre andauernden Beziehung (Serviervorschlag, © Tanja Wesel)

    Komfortable Situation. Meine Singlefreunde beneiden mich darum sicher hin und wieder. Ich wiederum habe sie um eine gewisser Erfahrung beneidet: Tinder. Denn immer, wenn mein Singleumfeld im Rudel zusammenkommt, wird über diese eine App gesprochen. Eigentlich wird natürlich über das Singledasein gesprochen, aber seit einiger Zeit scheint diese Daseinsform untrennbar mit dieser ominösen Dating-App verknüpft zu sein. Eigentlich ist diese App, die für meine Singlefreunde das wichtigste Gadget überhaupt zu sein scheint, für mich als „Beziehungstyp“ ja die überflüssigste App überhaupt. Eigentlich.

    Trotzdem ich bin ja sowas wie ein Netzbürger. Interessiere mich für Soziale Netzwerke, für Apps, für digitale Trends und als Journalist natürlich auch für alle Formen der Kommunikation. Und als mein Bruder wieder Single wurde und auch anfing über dieses Tinder zu sprechen, wollte ich’s endlich auch wissen.

    Tinder – Wie geht das überhaupt?

    Vielleicht muss man Tinder aber zuerst noch grob erklären. Vielleicht gibt es ja Menschen in Beziehungen, für die Tinder auch der eigentlich überflüssigste Service der Welt ist. Oder vielleicht liest meine Mutter das hier und fragt sich jetzt, was ihre Söhne da auf den Smartphones haben. Also: Tinder ist laut Eigenwerbung im Google Play Store

    „Ein neues Konzept, Leute in deiner Umgebung kennen zu lernen.“

    Unter der Hand gilt es bestenfalls als Dating-Service, schlimmstenfalls als Bumms-Börse. Eins ist es aber sicher: Oberflächlich und gleichzeitig unglaublich praktisch, weil effizient.

    Wer sich die App auf’s Smartphone lädt (am einfachsten bzw. schnellsten geht das, wenn man schon einen Facebook-Account hat – ohne geht aber auch) kann ein Bild und ein Kurzprofil von sich einstellen, seine Suchpräferenzen eingeben (= lieber Männlein oder Weiblein anzeigen lassen, Altersspanne von-bis und Suchumkreis in Kilometern festlegen) und los geht’s. Über GPS-Ortung (muss immer angeschaltet sein, um den Dienst nutzen zu können), werden einem Profile von Menschen angezeigt, die den Suchkriterien entsprechen und sich in der Nähe aufhalten. Ein Wisch übers Profil nach links heißt „kein Interesse“, ein Wisch nach rechts bedeutet will-ich-kennen-lernen. Miteinander chatten können zwei Menschen mit deckungsgleichen Suchkriterien erst, wenn sie sich beide mögen, also nach rechts gewischt haben. Das verhindert, dass man von Leuten angelabert wird, an denen man selber kein Interesse hat. Eigentlich ein echter Dating-Fortschritt!

    Tinder
    Leute? Ich mag Leute!

    Nun steht bei Tinder wie gesagt nirgendwo offiziell, dass es sich bei der App um ein Dating-Netzwerk handelt. „Leute in der Umgebung kennenlernen“ – dieses harmlose Versprechen habe ich als „Vergebener“ nun also zum Anlass genommen, einen fremden und für mich eigentlich unnötigen Webservice zu erkunden. Sobald die App installiert war, konnte es auch schon los gehen. Da ich mich über mein Facebook-Konto angemeldet hatte, war das Profil auch in Nullkommanix startklar. Also fing ich an, in bester hot-or-not-Manier „Menschen in meiner Umgebung“ zu bewerten. Wer mir äußerlich gefiel und/oder einen irgendwie netten oder interessanten Profiltext hatte bekam mein Wohlwollen. Der Rest wurde aussortiert. Und prompt schrieben mich auch schon die ersten „Menschen aus meiner Umgebung“ an. Das geht ja einfach.

    Gar nicht mal so unschuldig

    Interessanter Weise waren die natürlich alle weiblich und zwischen 20 und 40 Jahren alt – weil die App dies als Grundeinstellung für mich annahm. Mein naiver Versuch, die App als Leute-Kennenlerndienst und nicht als Dating-Service/Bumms-Börse anzusehen, erlitt Schiffbruch. Das musste ich erkennen, als die Mädels mich anschrieben und auf eine andere Art kennenlernen wollten. Ich hielt es nun für besser, sie über mein Experiment aufzuklären, worauf sie ihr Interesse an mir blitzartig verloren. Bis dahin hatte ich immerhin meinen oberflächlichen Wert auf dem Transfermarkt noch austesten können – das schreib ich mir mal auf die Haben-Seite. Als mich dann aber noch eine Single-Freundin offenbar überrascht bei Facebook anchattete und mich fragte, warum ich denn bei Tinder sei (sie hatte mich da gesehen und weiß, dass ich einer Beziehung bin), wusste ich sicher: 1. Tinder ist keine unschuldige App zum Leute kennenlernen, 2. besagte Single-Freundin versucht ihren Single-Zustand via Tinder zu überwinden.

    Ich änderte also meine Strategie, schrieb folgendes in mein Kurzprofil:

    Das ist also dieses Tinder da. Vergeben und hier aus rein humanitärem Interesse.

    Das Interesse der Damenwelt an mir sank daraufhin rapider als das Niveau im RTL-Dschungel. Auf einen Versuch, neue männliche Kumpels per Tinder kennen zu lernen, habe ich nach dieser Schlappe dann generös verzichtet.

     

    *Über diesen Selbstversuch wurde meine Freundin rechtzeitig informiert. Weder Tiere, noch Gefühle kamen dabei zu Schaden. Paartherapeuten oder Scheidungsanwälte wurden nicht behelligt.

  • Endlich allein

    Ich hab da so ’nen Film gesehen. Drei Tage lang. Einen Film, den es noch gar nicht gibt. Einen Film, der nur ca. 15 Minuten lang und wahrscheinlich nie im Fernsehen zu sehen ist. Wie ich dazu gekommen bin, erstaunt mich selbst immer noch ein bisschen.

    Rückblende: Wer sich schon mal auf dieser meiner Seite rumgetrieben hat, der weiß, dass ich da an „so ’nem Projekt“ beteiligt bin. Gesichter Bonns heißt es, ist eine fotografische Idee und Herzensangelegenheit meiner Freundin Bea und macht uns ’ne Menge Spaß. Viel mehr dazu ist an dieser Stelle auch unwichtig. Außer vielleicht dass der Fernseh- und Theaterschauspieler Hanno Friedrich auch Teil des Projektes ist, denn: Er wohnt in Bonn(-Beuel).

    Beim Fotoshoot für das Projekt lernten Bea und ich ihn als netten, bodenständigen und netzwerkfreudigen Menschen kennen, der uns wenig später auch noch den Gefallen tun sollte, eine Bühnenmoderation für Gesichter Bonns im Bonner Haus der Springmaus zu übernehmen.

    Und weil Hanno nicht nur ein netter Kerl, sondern auch ein Macher ist, hat er etwa zu diesem Zeitpunkt angefangen, ein Kurzfilmprojekt zu crowdfunden, oder besser: von der crowd funden zu lassen (KOMMA erfolgreich).

    Bea und ich dachten sofort: Tolle Sache, unterstützen wir! Also wurden wir erst „Filmproduzenten“/“Teilhaber“, in dem wir spendeten und rührten dazu noch im digitalen Freundeskreis kräftig die Werbetrommel für Hannos Filmidee.

    Als dann auch noch ein „Set-Runner“ für den Dreh gesucht wurde, wusste ich zwar nicht, was das überhaupt ist. Weil ich aber irgendwie helfen wollte und außerdem als Videographie-Autodidakt die Chance erkannte, mal bei einer professionellen Filmproduktion dabei sein zu können, schrie ich „Hier!“. Ende Rückblende.

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    Setfoto, Endlich allein – aber wer ist dieser Unbekannte?

    Um mal wieder auf den Film zurückzukommen, der zwar jetzt abgedreht, aber noch lang nicht fertig ist: In ihm geht es um ein Paar, das gemeinsam in den Urlaub fliegen möchte. Sie (gespielt von Saralisa Volm), Karriereweibchen und toughe Businessfrau. Und Er (gespielt von Hanno Friedrich), Lebenskünstler und freiberuflicher sich-durchs-Leben-Wurschtler. Dazu noch der Bürokollege des Karriereweibchens (gespielt von Frank Streffing), der in ihrer Abwesenheit die Agenturgeschäfte weiter führen soll.

    Das Buch stammt von Hanno himself, Regisseur ist Martin Przyborowski.

    Ich will nicht zu viel verraten, aber: Es wird ein subtiler Kurz-Psychothriller mit Anleihen aus dem Horrorfilm und einer interessanten Auflösung bei gleichzeitig offenem, aber nicht grade glücklichem Ende.

    Für mich interessant war bei der ganzen Sache auch weniger das Drehbuch, der Cast oder das Genre des Films (auch wenn ich sicher bin, dass es ein guter Film werden wird!), sondern eher die Gelegenheit, mal bei einem „nicht-journalistischen“ Dreh im Weg stehen dabei sein zu können.

    Zwar hatte ich vor Drehbeginn mal gegoogelt was ein Set-Runner denn so ist, wusste also in etwa, was da so auf mich zukommen würde. Trotzdem war ich natürlich aufgeregt, als es am Sonntag losging. So viele Leute, die ich nicht kannte, auch wenn die Crew inklusive mir mit 13,5 Mitgliedern (Hannos 10-jähriger Sohn durfte die Klappe halten schlagen) noch recht übersichtlich war. So viele Menschen aus der „Filmwelt“, von denen ich nicht wusste, wie sie sich mir gegenüber als Fremden in dieser Welt verhalten würden.

    Um es vorweg zu nehmen: Keiner hat sich mir gegenüber doof verhalten, aber natürlich ist man als Set-Runner eine Art Praktikant und somit Arsch vom Dienst.

    Meine Aufgaben konkret waren:

    • Schauspieler von A nach B fahren (Flughafen, Drehorte etc.)
    • Für Happa-Happa an den Drehorten sorgen (jetzt weiß ich als Nicht-Kaffetrinker auch, wie man mit einer French Press umgeht)
    • Happa-Happa kaufen bzw. beim Caterer abholen (auch von mir noch mal ein dickes Danke an’s Gesindehaus in Bonn-Poppelsdorf)
    • Als Licht-Double zur Verfügung sitzen, stehen, liegen
    • Für Ruhe an den Drehorten sorgen und Schaulustige beim Dreh in Schach halten
    • Kisten, Koffer, Kästen schleppen
    • Glasflächen putzen (kein Scheiß)
    • Aufräumen (ich hoffe, die Jungs und Mädels vom Top Magazin Bonn sind zufrieden mit meiner Wiederherstellung des Drehortes 😀
    • Ab und an mal ne Klappe schlagen
    • Und hauptsächlich: Einfach für alles zur Verfügung stehen

    Insgesamt bedeutet das: Viel warten und da sein. Nicht immer konnte ich mich in diesen drei Tagen nützlich machen, denn das Team war eingespielt und die Sets teilweise sehr eng, so dass ich auch wusste, wann ich mich zurück zu ziehen hatte. Trotzdem war ich natürlich immer da, wenn ich gebraucht wurde und mir auch für keinen Auftrag zu schade. Kurzum: Ich denke, ich habe den Job für einen Anfänger ganz gut gemacht.

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    Sieht nach Polizeiroboter bei der Sprengung eines Gepäckstücks aus – ist aber ne Kamera.

    Dadurch, dass ich während des Drehs meist auf stand-by war, hatte ich oft Gelegenheit mit der Crew zu schnacken. So lernte ich den Tonmann kennen, der bei Stromberg (TV und Film) auch als Nebendarsteller am Start war. Oder den Setfotografen, der extra aus Dortmund angerückt war und genau wie die anderen ohne Gage (was aber für alle vorher klar war) und nur für den „Ruhm“ arbeitete. Oder die Visagistin, die am letzten Drehtag mit ihrer deutschen Dogge „Pepper“ zum Set kam und in die ich mich unsterblich verliebt habe (in die Dogge meine ich jetzt).

    Dauerbeschäftigt waren Schauspieler, Regie, Kameraleute und vor allem die Beleuchter, die Lichtsituationen geschaffen haben, von denen ich als one-man-band Videograph nur feucht träumen kann. Irre, wie da alle Zahnräder des gesamten Teams ineinander gegriffen haben! Und irre, wie lang es beim Film dauert, bis gedreht werden kann und wenige Filmsekunden im Kasten sind (zur Erinnerung: 15 Minuten Kurzfilm, drei Drehtage).

    Für mich als „brotlosen Journalisten“ war es auch nett, mich mit andren Kreativen austauschen zu können, die ebenfalls als Freiberufler ein ähnliches Leben in Freiheit bei gleichzeitiger finanzieller Ungewissheit führen.

    Mein kleiner Ausflug in die Filmwelt war unterm Strich sehr spannend, mit sehr viel Warten und Zeiteinsatz verbunden, hat mir aber auch Kontakte in diverse Filmbereiche beschert – und man weiß ja nie, wofür’s mal gut ist 😉

  • Könnte ich bitte Ihre Warteschleife sprechen?

    Im Zuge meines Volontariats bei Radio Bonn/Rhein-Sieg hatte ich kürzlich die Ehre, das (hoffentlich) letzte Praktikum meines Lebens ableisten zu dürfen. Zu diesem Zweck habe ich vier Wochen lang bei der Zeitung angeheuert. Weit bewegen musste ich mich hierfür nicht, denn Radio und General-Anzeiger teilen sich mittlerweile eh ein Gebäude in der Justus-von-Liebig-Straße in Bonn-Dransdorf. Vom zweiten Stock ging es also abwärts in den News-Room der Zeitung.

    Im Grunde ist dieser Austausch eine gute Idee, denn Radiosender und Zeitung gehören zur gleichen Verlagsgruppe und man sollte meinen, dass heutzutage, wo Vernetzung und Multimedialität im Journalismus permanent beschworen werden, die Trennwände zwischen Zeitung und Hörfunk längst gebröckelt sein müssten. Sind sie aber nicht. Fakt ist: Ich bin der erste Radiovolontär, der als Teil seiner Ausbildung bei der Zeitung reinschaut. Immerhin war zuvor schon eine Zeitungsvolontärin als erste „Austauschschülern“ bei uns im Radio.

    Kurz gesagt: Der Arbeitsalltag beim Radio läuft trotz der großen brancheninternen Debatten um trimediales Arbeiten noch ziemlich getrennt von den Zeitungskollegen. So richtig kennt man sich noch nicht, obwohl man nun seit fast drei Jahren im selben Haus Tür an Tür wohnt. Zwar wird die Arbeit des Nachbarn akribisch beäugt – auf die Idee, darüber hinaus voneinander zu profitieren ist man aber bis jetzt noch nicht so richtig gekommen. Ich will hier nicht vom Kalten Krieg der Redaktionen reden, aber manchmal kam ich mir während meines „Austauschspraktikums“ ein bisschen so vor wie ein Botschafter auf Friedens- oder zumindest Erkundungsmission.

    Gesichter Bonns
    Klassische Zeitungsarbeit mit bekannten Gesichtern 😉

    Die ersten zwei Wochen habe ich „klassisch“ bei der Zeitung verbracht: Erst eine Woche am Mantel-Desk (hier entsteht der in allen Lokalausgaben gleiche Teil mit Politik, Feuilleton, Sport, Panorama etc.), dann ein paar Tage der zweiten Woche am Regio-Desk (wo sozusagen die Regionalseiten „verwaltet“ werden) und ein paar Tage „im Vorgebirge“, also in der Redaktion für Alfter, Bornheim und alles was beim GA eben zum Vorgebirge zählt. Zwar ist der General-Anzeiger hier schon fortschrittlich unterwegs, indem er das News Room-Prinzip auf die Regionalteile angewendet, trotzdem wird hier noch eher klassisch „Zeitung gemacht“.

    Die nächsten zwei Wochen lernte ich dann das „Online-Produkt“ ebendieser Zeitung kennen und merkte schnell, dass hier schon ganz anders gearbeitet wird und es sich wirklich um zwei unterschiedliche Produkte mit unterschiedlichen Herangehensweisen handelt – denn Zeitungsabonnenten sind nicht gleich Online-Leser. Zwar werden am Abend eines jeden Tages die Seiten des „Printprodukts“ teilweise „ins Internet kopiert“, wodurch wieder eine Art Angleichung zwischen Print und Online stattfindet. Trotzdem konnte man in diesen beiden Wochen im Kleinen gut den schwierigen Umbruch beobachten, in dem sich das Zeitungsgeschäft grade befindet.

    Ich persönlich muss gestehen: Obwohl ich die ersten zwei Wochen „klassischer Zeitung“ alles andere als uninteressant fand, hat mich der Online-Journalismus, den ich mir auch mehr im Radio-Bereich wünschen würde, mehr gepackt. Zwar ist der GA durch seine etwas altertümliche Website ein wenig gehandicapt, trotzdem fand ich die Möglichkeiten, die Tools wie der Datawrapper, Storify oder die sicher noch etwas ausbaufähige Nutzung von sozialen Netzwerken bieten, überaus spannend.

    Ebenfalls erfrischend war der Umstand, dass ich als Radiovolo mit Filmambitionen ermuntert wurde, mich trimedial auszutoben. Sei es durchs Erstellen von Bildstrecken oder Videoproduktionen, die allesamt einen Online-Mehrwert über den klassischen Zeitungscontent hinaus bieten sollten.

    Neben komplett aus einer Hand (nämlich meiner) produzierten Videobeiträge, die man auch hier noch mal anschauen kann, bestand eine weitere spaßige Aufgabe darin, einen Text „mit multimedialer Ausrichtung“ zu Telefonschleifen von Bonner Unternehmen zu machen. In der Umsetzung war ich relativ frei – es sollten hier nur Fähigkeiten aus der Radioarbeit mit einfließen.

    Und so entstand ein Artikel, der so sicher nicht ins „klassische“ Printprodukt des GA kommen würde, aber vielleicht auch im Online-Angebot des GA etwas aus dem Rahmen fällt. Einem Psychologen aus Münster, von dem ich auf Grund von vorheriger Zusammenarbeit wusste, dass er für jeden Spaß zu haben ist, setzte ich also Telefonwarteschleifen von Bonner Firmen, Behörden und Organisationen wie dem Bildungsministerium über Haribo, dem Bürgertelefon der Stadt, Solarworld bis Vapiano vor und ließ diese auf ihre Außenwirkung hin von ihm überprüfen.

    Gedudel
    Nicht der Klick-Hit des Jahrhunderts, dafür aber ein spaßiges „Multimediaprojekt“: Mein Warteschleifen-Artikel.

    Vorher mussten natürlich all diese Warteschleifen angerufen werden, was aus dem Studio von Radio Bonn/Rhein-Sieg aus passierte und sich als irre witzige Aufgabe herausstellte. Ungefähr 30 Mal musste ich verschiedenen Telefonisten/-innen erklären, warum ich lieber mit ihren Warteschleifen verbunden werden wollte, anstatt mit ihnen zu sprechen. Manche wussten überhaupt nicht, ob ihre Firma überhaupt eine Warteschelife hat oder wie sie mich da hineinstellen sollten. Um sich zu erkundigen stellten sie mich – ohne es selbst zu realisieren – in die Warteschleife, nur um mir im Anschluss zu erklären, dass sie nicht wüssten, wie sie mich in die Warteschleife schicken könnten.

    Und wie so oft im Leben: Wenn man etwas möchte bekommt man es nicht, wenn man es nicht möchte, bekommt man es erst recht. So lief es auch bei der Post-Servicehotline: Anstatt der Warteschleife, die man als Postkunde ja fast schon erwartet, ging sofort eine freundliche Mitarbeiterin ans Rohr, die untröstlich war, dass sie nicht wieder zurück in die Warteschleife verbinden könne – das ginge technisch bei der Post gar nicht. Sie entschuldigte sich quasi, sofort ans Telefon gegangen zu sein und riet mir sogar, am nächsten Tag noch einmal zwischen 14 und 15 Uhr anzurufen – da wäre vermutlich mehr Andrang und die Chance auf längeren Genuss der Warteschleife höher.

    Auch wenn der fertige Artikel über die Warteschleifen inklusive eingebundener Hörbeispiele am Ende logischer Weise nicht der Klick-Hit des Jahrhunderts war, hat die Arbeit an ihm doch auf eine erfrischende Weise Freude bereitet! Fast bin ich jetzt ein bisschen traurig, in meinen Sender zurückzukehren und mich wieder hinter die in den vier Wochen durchlässig gewordene Trennwand zwischen Print, Hörfunk und Online zu begeben.[soundcloud id=’135142549′]

    Kaum zu glauben, wie schwer es ist, mit einer Telefonwarteschliefe verbunden zu werden! (Hier am Beispiel des Vapiano)

  • Bloß nicht in die Medien!

    Beim Lokalradio zu arbeiten hat einen unschätzbaren Vorteil: Man kommt in direkten Kontakt mit dem, für den man den ganzen Quatsch macht. Man kommt in Kontakt mit der Zielgruppe, sprich: mit dem Hörer. Ich kann das behaupten, weil ich als „Freier“ auch schon für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschuftet habe. Und dort hält man – abgesehen von social media – den Hörer lieber auf Abstand. Hörernähe ist also eines der Pfunde, mit dem der Lokalfunk wuchert. Beim Lokalfunk kann man es als Anrufer noch schaffen, direkt zum Moderator ins Studio durchzukommen oder gar die ganze Redaktion auf einem gemeinsamen Wandertag zu treffen – bei den meisten „Öffies“ undenkbar!

    Hörernähe hat natürlich seine Vor- und Nachteile. Manche Hörer glauben Dich zu kennen und lassen dann vielleicht die höfliche Distanz im Umgang miteinander vermissen, nur weil sie Dich ab und zu mal im in „ihrem“ Radio hören. Hörernähe kann aber auch den Vorteil haben, dass man sozusagen live beobachten kann, wie man selbst als „Medienmensch“ wahrgenommen wird. Auf was ich als Reporter auf Tuchfühlung mit der Zielgruppe zum Beispiel oft treffe, das ist der Hörer-Glaube an etwas, das ich mal als „Magie des Mediums“ bezeichnen möchte. Für den Medienkonsumenten hat offenbar alles was mit Funk- und Fernsehen zu tun hat einen gewissen Glamour, ja fast schon Sex-Appeal. Dieses Magische schließt auch die Vermutung mit ein, dass in den Medien viel zu verdienen wäre. Wer im Fernsehen ist, oder im Radio, der hat schließlich was zu sagen, ist irgendwie bekannt und muss deshalb auch viel verdienen. Logisch!

    Ich kann aber an dieser Stelle aufklären: Bei dieser Annahme handelt es sich um einen Mythos. Ein Mythos, an dem wir Medienleute allerdings auch fleißig mitgestrickt haben, wenn wir zum Beispiel von unserem „Verkehrs-Studio“, unserer „Wetterredaktion“ oder von unserem/-er „Morgenteam/Morgencrew“ sprechen, die alle höchstens aus einer kleinen Hand voll Leute, meist sogar nur aus einer Person bestehen. Wir Medienmenschen haben nämlich einen Hang zur Übertreibung und zur Überhöhung unserer selbst. Die Leute wollen Lametta – wir geben ihnen Lametta.

    Campusradio
    Ich (rechts, voller Idealismus) war jung und brauchte kein Geld: Anfänge im Campusradio, vermutlich irgendwann 2006.

    Vermutlich auch deshalb übt die Medienbranche trotz aller herbeigeredeten Krisen noch immer eine so ungeheure Anziehungskraft auf den potentiellen Nachwuchs aus, dass einem nur schwindelig werden kann. „Was mit Medien machen“ ist Berufswunsch und Mantra ganzer Heerscharen von Praktikanten geworden. Ich wage die nicht ganz unbergündete These, dass die meisten Medienhäuser, die nicht völlig in der Pampa liegen, einen derart hohen Durchlauf an Praktikanten haben, dass die meisten Redaktionsmitglieder längst aufgegeben haben, sich die Namen des ständig nachwuchernden Nachwuchses merken zu wollen.

    Mir stellt sich die Frage: Warum drängen so viele junge Menschen mit einer derartigen Vehemenz in eine Branche, in der die Verdienstmöglichkeiten eher übersichtlich sind? Warum reißt der Strom derer einfach nicht ab, die auch völlig ohne Bezahlung freiwillig mehrere Monate ihres Lebens in den Irrenhäusern vieler Redaktionen verbringen? Wieso drängen diese oft gut ausgebildeten Leute nicht dorthin, wo Fachkräftemangel herrscht, sich die Chefs um den Nachwuchs kloppen und wo es tatsächlich Geld zu verdienen gibt? Warum wollen also alle „in die Medien“?

    Es gibt nur zwei Antworten: Es ist entweder Leidenschaft oder Geltungssucht. Auf Kollegen zu treffen, die aus Leidenschaft viel Stress, Arbeit zu unmöglichen Zeiten und schlechte Bezahlung in Kauf nehmen, ist stets eine Freude. Auf Kollegen zu treffen, die nur aus Leidenschaft viel Stress, Arbeit zu unmöglichen Zeiten und schlechte Bezahlung in Kauf nehmen, ist aber eher die Ausnahme. Denn wir alle, die wir bei Funk- und Fernsehen arbeiten, tun dies auch, um im Rampenlicht zu stehen. Wir suchen die Öffentlichkeit – sonst hätten wir ja auch Leuchtturm-Wärter werden können.

    Sendestudio
    Da wollen alle hin: Hinter’s Mikro, oder am besten gleich vor die Kamera.

    Trotzdem habe ich das Gefühl, dass diese „Magie des Mediums“ sich irgendwie selbstständig gemacht hat: Die, die Medien produzieren, setzen alles daran, dass dieser Mythos bei denen, die die Medien konsumieren, bestehen bleibt. Das hat scheinbar zur Folge, dass die Zahl derer, die etwas von diesem Glanz abkriegen wollen, auf einem konstant hohen Pegel bleibt. Eine Spirale des (Selbst-)Betrugs. Im schlimmsten Fall wächst da also eine Armee von Schaumschlägern und Wichtigtuern nach, die alle glauben der nächste Thomas Gottschalk zu sein und dann irgendwann feststellen, dass ihr Eldorado doch nicht aus Gold, sondern aus banaler Alltagsroutine, Stress und in der Regel bescheidener monetärer Entlohnung besteht.

    Ich selber saß schon vor zahlreichen Mediencoaches und -dozenten, die alle ihren Job zu einem großen Teil der Tatsache zu verdanken haben, dass die Medien, die sie repräsentieren, eine derart hohe Strahlkraft haben, dass ihr Publikum (mich eingeschlossen) es für karrierefördern hielt, Geld für ihre vermeintliche Expertise auszugeben. Nur einer dieser Coaches hat jemals darauf hingewiesen, dass man mit Journalismus in der Regel nicht reich wird. Ihm möchte ich hiermit ein kleines Denkmal setzen und fordere gleichzeitig einen ehrlicheren Umgang mit den Verheißungen der Medienbranche.

    Wer „was mit Medien machen“ möchte, sollte also wissen: Als Journalist winkt nicht automatisch die dicke Kohle und der VIP-Status! Geht bloß nicht in die Medien, wenn ihr damit eine Familie ernähren und vielleicht auch irgendwann mal eine Rente haben wollt! Wenn ihr es trotz dieser Warnung immer noch wollt, dann willkommen im Club. Willkommen in der wunderbaren Glitzerwelt des Medienzirkus!