Autor: Christian Mack

  • Großstadt-Phantasien

    41 Jahre lang war Bonn die Hauptstadt Westdeutschlands. Neun weitere Jahre war die Provinzstadt am Rhein Regierungssitz des wiedervereinigten Deutschlands. Warum das so war erscheint auch heute noch rätselhaft. Manche behaupten, dass Bonn nur deshalb Hauptstadt wurde, weil Konrad Adenauer seinen Weg zur Arbeit möglichst kurz halten wollte. Trotzdem haben sich die Bonner natürlich schnell an den verheißungsvollen Klang des Wortes „Hauptstadt“ gewöhnt und fühlen sich noch immer irgendwie geschmeichelt. Auch wenn Bonn ähnlich großstädtisch ist wie -sagen wir mal – Bielefeld.

    Vom Bonner Stadthaus sieht man wenigstens das Bonner Stadthaus nicht.

    Diesem „Hauptstadtgefühl“ konnte auch der Umzug der Regierung nach Berlin nichts anhaben. Aus der Hauptstadt, wurde flugs die „Bundesstadt“ gemacht. Immerhin durfte Bonn ja sechs Bundesministerien (sozusagen als Geiseln) behalten. Seither verteidigt Bonn diesen Restglanz einer untergegangenen Epoche mit Händen, Füßen und Rechtsgutachten.

    In Bonn herrscht letztlich seit dem Entzug der Hauptstadtwürde auf der einen Seite das seltsam-nostalgische Schwelgen in der eigenen großen Vergangenheit, als man noch die Schaltzentrale der letzten Bastion gegen den Sozialismus war. Und auf der anderen Seite der eitle Wunsch, den alten Glanz wieder zu beleben, um mit stolz geschwellter Brust Richtung Spree ausrufen zu können: „Schaut her: Wir sind wieder wer!“

    Zwei Bonner Bauprojekte sind Symbole dieses Größenwahns. Beiden gemein ist, dass sie von ihrer Vollendung weit entfernt und alles andere als unumstritten sind. Das eine ist das Beethoven Festspielhaus, von meinem Radio-Kollegen Frank Wallitzek gerne als „Luftschloss“ bezeichnet. Das andere ist das World Conference Center Bonn, auf dessen Baustelle ich mich diese Woche selber vom Baufortschritt überzeugen konnte.

    Während es in der Diskussion um das Festspielhaus um die Zukunft Bonn zu gehen scheint, verhält es sich mit dem WCCB etwas anders: Hier geht es eher um bereits Vergangenes: Um die Rettung der Glaubwürdigkeit und des Ansehens der Stadt.

    Beeindruckend groß: Das Foyer des WCCB-Kongressteils.

    Wer mit dem „WCCB-Skandal“ grad nicht so gut vertraut ist, hier die Kurzfassung: Die Stadt wollte ein großes, internationales Kongresszentrum, denn die alten Plenarsäle standen nach dem Regierungsumzug nach Berlin ja leer. Beim Bau einer riesigen Kongresshalle und eines Hotels ließ man sich blöderweise auf einen Investor ohne Kohle ein, in dessen Firmenname zwar das Wort „Hyundai“ vorkam, dessen Firma aber bedauerlicher Weise nichts mit dem durchaus solventen Großkonzern Hyundai zu tun hatte. Nachdem das Kapital aufgebraucht war, standen die Baumaschinen auf der WCCB-Baustelle in den letzten drei Jahren still – trotzdem musste die Stadt bis heute rund 60 Millionen Euro zur Erhaltung (z.B. Heizung und Bewachung) der Großbaustelle investieren. Jetzt ist wieder Kohle, größtenteils von Bund und Land, da – damit soll zumindest die WCCB-Kongresshalle bis Mitte 2014 fertig gebaut werden.

    Wie schon erwähnt hatte ich Gelegenheit mir die „Baustelle WCCB“ selbst anzuschauen. Der so genannte Skandal um das WCCB war für mich vorher eher abstrakt gewesen, auch wenn ich selber schon darüber berichtet hatte. Jetzt stand ich also mittendrin im WCCB und war beeindruckt von der Weiträumigkeit der unvollendeten Architektur. Zwar fragte eine leise Stimme der Vernunft in mir, wer zur Hölle denn (in Bonn!) einmal eine Kongresshalle nutzen soll, in der bis zu 3.500 Teilnehmer passen (in dem ganzen Gebäudekomplex sollen sogar einmal 5.000 Menschen gleichzeitig tagen können), der Eindruck des Glasdachs und die schiere Imposanz des Gebäudes überlagerten aber jede Vernunft in mir (und scheinbar auch jede Artikulationsfähigkeit des Oberbürgermeisters, der mir vor Ort diese schönen Sätze ins Mikro gab).

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    Mit ein bisschen Abstand zum Erlebten geht mir auf: Bonn steht wirklich am Scheideweg zwischen Provinz und Metropole. Aber wenn man ehrlich ist, stand Bonn schon immer da – auch als Hauptstadt. Ich bin mir selber nicht sicher welche Richtung mir lieber wäre. Vielleicht macht das aber auch den Reiz aus: Nicht klein und nicht groß zu sein – sondern irgendwo dazwischen.

  • Warum ich Wert auf einen ordentlichen Händedruck lege

    Ich bin nicht der Bundespräsident. Trotzdem bringt es mein Beruf so mit sich, dass ich viele Hände schüttelnmuss. Besonders wenn ich als Reporter unterwegs bin, lerne ich viele Leute kennen. Ich erhalte Einblicke in Lebens-, Arbeits- und Freizeitwelten, die mir sonst verborgen bleiben. Das ist das Schöne an diesem Beruf. Beispiele könnte ich viele aufreihen (ich durfte schon Roboter fernsteuern, eine Straßenbahn fahren, 30 Meter in einem Feuerwehrkorb hinauf schweben, mehr oder weniger interessante Menschen, sogenannte „Stars“ aus Politik und Entertainment treffen…), spare mir das aber vielleicht für einen anderen eitlen Blogeintrag auf.

    © Tobias Wolter

    Vor nicht allzu langer Zeit war ich als Reporter auf einem Termin beim Bonner Ableger einer großen Bundesbehörde. Kein besonderer Termin, eher langweilige Redaktionsroutine. Trotzdem ist mir dieser Termin im Gegensatz zu vielen anderen Pflichtterminen im Kopf geblieben.
    Schuld dran ist die Pressesprecherin. Eine taffe Karrierefrau im Hosenanzug. Typ „Karriere: ja, Kinder: später, vielleicht, mal sehen, zu spät! „. Nennen wir sie einfach pietätvoll Frau K.

    Frau K. hatte die Gesprächsrunde aus Industrie und Wirtschaft absolut im Griff. Sie gab den Ton an. Ist ja auch ok, ist ihr Job. Was aber nicht ok war und meinem Bild des Alpha-Weibchens zuwider lief, dass ich mir so schön zurecht gelegt hatte, war ihr saftloser Begrüßungshändedruck. Sie hielt mir etwas kaltes, lebloses entgegen, was ich erst Sekunden später als Hand identifizieren konnte. Im ersten Moment fühlte es sich eher wie ein welker Romanasaltkopf an, der schon zu lange im Kühlschrank liegt.

    Versteht mich nicht falsch: Ich bin nicht jemand, der mit einem Knigge unter dem Kopfkissen pennt. Trotzdem glaube ich daran, dass ein ordentlicher Händedruck zu einer höflichen Begrüßung dazugehört und etwas aussagt.
    Nehmen wir zum Beispiel meinen Onkle Jochen, der eigentlich gar nicht wirklich mein Onkel ist, sondern über sieben Ecken irgendwie mit mir verwandt: Gibst Du ihm die Hand, erleidest Du Schmerzen. Er bricht Dir fast das Handgelenk, während er Dir langsam aber höflich lächelnd die Hand zerquetscht wie ein Stück jungen Hollandgouda. Er macht das vermutlich, um seine Körperlichkeit zu betonen, denn er ist ein Baum von einem Mann. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er das nur bei mir so macht, oder ob auf diese Art auch zierliche Damen von ihm begrüßt werden. Das würde jedenfalls erklären, warum er alleinstehend ist.

    © Rainer Zenz

    Halten wir fest: Ein Händedruck sollte irgendwo zwischen welkem Salat und gefährlicher Körperverletzung liegen. Fest, aber nicht schmerzhaft, entschlossen, aber höflich.
    Irgendwo habe ich mal gelesen, dass der Händedruck aus einer Zeit stammt, in der wir noch mit Waffen unterwegs waren. Eine Zeit also, die wir zum Glück längst überwunden haben (Ausnahme: Amerika und kleinere Schurkenstaaten).
    Gebe ich Dir folglich meine rechte Hand, kann ich sicher sein, dass Du Schwierigkeiten haben dürftest, mich im selben Augenblick mit Deinem Schwert zu perforieren. Ein Akt, der also friedliche Absicht symbolisiert, es sei denn man trifft zufällig auf einen bewaffneten Linkshänder.
    Mir gefällt die Vorstellung, dass eine Geste, die heute international verständlich ist und als Höflichkeitsform angesehen wird, eigentlich eine reine Selbstschutzmaßnahme ist. Genauso wie das Anstoßen vor dem Trinken: Angeblich nur deshalb entstanden, weil unsere Vorfahren so sicher sein konnten, dass ihr Drink nicht vergiftet ist, weil sich beim kräftigen Zuprosten die Getränke der Anstoßenden durch Überschwappen ineinander mischten.

    Was mir Pressesprecherin Frau K. also damals gezeigt hat, ohne es zu wissen, ist: Mit dieser meiner Salathand wär ich eh nicht in der Lage Dich umzubringen.
    Finde ich unhöflich von ihr.