Anmerkung des Herausgebers: Als mein Vater gestorben ist, hat er einen Keller voller Modelleisenbahn-Kram hinterlassen: Waggons, Modellautos, Züge, fertige gebastelte Bausätze von Modellhäusern, Schienen, Schranken, Trafos, Bäumchen, Figürchen und so weiter und so weiter. Komischer Weise hat mein Vater uns Kinder (also meinen Bruder und mich) nie mit dem Eisenbahn-Virus infizieren können. Ich glaube, er hat es aber auch gar nicht ernsthaft versucht. Vielleicht liegt es auch daran, dass er immer auf die Frage, wann er denn seine Anlage mal aufbauen will gesagt hat: „Das mach ich, wenn ich in Rente bin!“ Schon damals wußte ich nicht so recht, ob das Ironie war oder ernst gemeint. Ich habe es nie herausgefunden. Denn rentenkassenfreundlich ist er kurz vor Erreichen des Ruhestandalters gestorben. Meiner Mutter fiel es also zu, seine Modelleisenbahnsammlung – ein schönes Wort fürs „Galgenmännchen“ übrigens! – aufzulösen. Denn mit dem ganzen Kram wußte niemand wirklich so recht etwas anzufangen. Als Muddi von einer ihrer Modellbahnmessen kam, sagte sie: „Darüber könnte man echt mal ’nen Artikel schreiben!“ Ich habe sie beim Wort genommen und ihr zugeredet genau das zu tun – und hier ist er:
Was ist heute eigentlich noch eine lupenreine Männerdomäne? Ad hoc fällt mir nicht allzu viel dazu ein.
Mein Ausflug in die Domäne der Modelleisenbahnfreaks war allerdings auch kein frei- oder mutwilliger, sondern rein praktischer Natur. Mein lieber Mann starb vor vier Jahren und hinterließ einen ziemlich großen Kellerraum voller Kisten und Kartons, die mit seiner ersten Liebe, der Modellbahn gefüllt waren. Als brave Ehefrau hatte ich diese Leidenschaft meines Mannes jahrelang wohlwollend toleriert , hielt es ihn doch regelmäßig von anderen Torheiten ab. Außerdem entging er in seinem Refugium gerne lästigen Verpflichtungen, wie dem Unterhalten angereister Verwandtschaft oder anderer anstrengender Besucher, was teilweise weniger wohlwollend von mir empfunden wurde.
Es war ihm aber leider nicht vergönnt, die seit Jahren geplante und in Ansätzen auch schon umgesetzte Anlage aufzubauen, die ein Spiegelbild seiner fränkischen Heimatstadt Nürnberg werden sollte. Nach angemessener Trauerzeit und intensivster Befragung der Söhne, ob sie denn nicht diesen Teil des väterlichen Erbes antreten wollten, sie dies aber vehement zurückwiesen, machte ich mich daran, den Umfang der Sammlung festzustellen. Eine grobe Durchsicht ergab: ca. 130 Lokomotiven, mehr als 600 Wagons, unzählige vollendete und noch im Bau befindliche Häuser, Industrieanlagen, Bahnhöfe, Stellwerke, Schienen, Weichen, Werkzeuge für Feinmechanik, Farben und und und…
Unter anderem fand ich kartonweise Piko-Erzeugnisse wie Trafos, Schaltpulte etc., die mein Mann anlässlich eines Urlaubs in der Rhön direkt nach der Wende in Sonneberg aufkaufte. Auch haufenweise Bausätze für Häuser im DDR- Charme der Marke Vero.
Was tun mit diesen Dingen? Kluge Ratschläge gab es genug, Flohmarkt, Ebay, Händler, Annonce etc. Das wäre alles ziemlich aufwändig gewesen und kam daher auch nicht für mich in Frage. Außerdem sollte derjenige, der offensiv mit der Sammlung auf den Markt drängt, auch eine- zumindest – leise Ahnung von Preisen haben! Die sogenannten unentdeckten Kellerschätze können sich als ganz schön bleiern und wertlos entpuppen, hörte ich. Lange nicht bespielt? Analog? Kannste schon vergessen!
Also war der erste Akt, erst mal auflisten, was da ist und in welchem Zustand. Der Lokdoktor, zufällig ein Nachbar von gegenüber, half bei der Durchsicht der Loks, ölte, prüfte (nicht ganz uneigennützig) und versah die guten Teile mit einem Aufkleber mit seinem Prüfvermerk. Ein Testbesuch bei einer Modellbahnbörse brachte dann die Erkenntnis: Nur hier werde ich verkaufen, Fachkundschaft da, Händler auch, die nix anderes machen, als des Mannes liebstes Spielzeug an denselben zu bringen.
Bei meiner erste Börse – eintägig- schlugen sofort die Wogen über mir zusammen. Die Händler stürzten sich schon vor Einlassbeginn auf meinen Verkaufsstand und entrissen mir die Sachen en gros- vermutlich für ’nen Appel und ’nen Ei. Ich hatte noch nicht einmal Zeit, meine Waren auszuzeichnen, da war schon ein gutes Drittel weg. Vermutlich verkauften sie ihre Beute für das Doppelte weiter, aber was soll’s, meine Kartons wurden leerer und ich vermied tunlichst, die Käufer an ihren Ständen aufzusuchen und meinen Sachen nachzuspüren.
Erkenntnis des ersten Tages: Ich bin zu billig, das passt den anderen nicht.
Der nächste Termin: Direkt ein ganzes Wochenende. Man kommt sich näher von Händler zu Händler, wird beraten in technischen Fragen (das arme Frauchen hat ja auch gar keine Ahnung!)und nachdem meine Vita bekannt ist, wird mir auch aus lauter Sympathie was abgekauft- natürlich günstig- wir sind ja hier unter Händlern!! Man schaut kein bisschen blasiert auf mich herab, nur Wohlwollen sehe ich in ihren Gesichtern, denn hier ist der Mann noch Mann und darf es sein, besonders in seiner Eigenschaft als Fachkundiger in technischen Angelegenheiten, von denen Frauen aber auch Null-Ahnung haben.
Langsam werde ich routinierter und kann auch mit Fragen nach Epochen etwas anfangen, beim ersten Mal hatte ich bei der Bemerkung eines Kunden, die Lok passe nicht in seine Epoche, nur Fragezeichen in den Augen. Natürlich kann ich immer noch nicht sagen, welche Schienensysteme oder Kupplungen kompatibel sind, aber ich habe ja die netten Kollegen, die vor lauter Freude über mein Engagement schon die gemeinsamen nächsten Termine für mich buchen. Sollte da was anderes als Freude über eisenbahnverkaufende Witwen im Spiele sein? Ich spüre Anerkennung und Bewunderung, dass ich diesen Weg gewählt habe, die Anlage selbst zu verkaufen, bekomme Tipps zum Präsentieren der Ware und Hilfe in Form von kundigen Bastlerhänden, wenn wieder mal ein Teil von diesen verfluchten Minihäusern der Spur N abgefallen ist. „Komm, Engelschen“, sagt mein Kölscher Nachbar, der Hobbyverkäufer und natürlich auch Mitglied eines Eisenbahnclubs ist, jib mal her, isch mach dat janz!“ Na prima, da bringe ich morgen den Herren als Dankeschön ein paar meiner selbstgebackenen Lebkuchen mit und die Liebe ist grenzenlos…
Die Börsianer und Modellbahnclubberer sind eine Sorte Mäuse für sich, aber sehr gesellig und hilfsbereit. Man frühstückt gemeinsam bei den zweitägigen Börsen, manchmal gibt`s auch abends noch was, man besucht sich gegenseitig an den Ständen, lobt die aufgebauten Anlagen der Clubs und hat im Gegenzug auch supernette Kunden, denen ihr Hobby einiges wert ist.
Der durchschnittliche Besucher der Ausstellung und Börse jedoch hat mich erschreckt und kann grob in drei Kategorien eingeteilt werden:
Das erste Drittel Mann ist weit über 50 Jahre alt, ungepflegt, bärtig und ziemlich korpulent. Er hat wenig Geld und kreist während seiner durchschnittlichen Verweildauer von mehr als drei Stunden mindestens 5 Mal um deinen Stand, bevor er das Portemonnaie zückt und eine Kleinigkeit kauft.
Ein zweites Drittel kommt mit vorgeschoben interessierter Ehefrau und lässt sich jede Dezimierung des Haushaltsgeldes von ihr zuvor absegnen, diese Männer kreisen höchstens dreimal um den Stand, weil die Frauen wieder an die Luft wollen, bekommen aber vermutlich gerade deshalb oft den Segen des Eheweibes.. Durchschnittliche Verweildauer hier ca. 2 Stunden incl. Besuch der Cafeteria.
Das letzte Drittel Mann kommt mit dem Nachwuchs und wurde vermutlich von Mama zur Wahrung des Sonntagsfrieden aus dem Haus geschickt. Dieser Kunde schaut nicht nur, er nimmt auch alles in die Hand, erklärt es dem mehr oder weniger interessierten Nachwuchs – und – kauft nichts! Hier geht es nur um das Prinzip „Zeittotschlagen“ bis wir wieder zur Mama dürfen.
Vielleicht gibt es noch mehr Kategorien von Kunden zu entdecken, aus diesem Grund möchte ich gerne noch ein wenig tauchen gehen- denn, ehrlich, es macht mir inzwischen Heidenspaß!
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